21 Questions – How to Disagree, And Actually Understand Why

21 Questions: How to Disagree, and Actually Understand Why

You probably know Twenty Questions (in German also known as Wer bin ich?): A player chooses a celebrity or an object and the other players have to figure out what by asking only yes-or-no questions. I took this game and made a similar one for discussions to be more productive.

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Was Eure Aufrufe zu Nüchternheit gegenüber Terrorangst vergessen

Am vergangenen Montag konnte ich mich zum ersten Mal bei Facebook als “safe” markieren. Es ist diese Funktion, die Facebook seit mehr als einem Jahr bei “Großereignissen” mit vielen Todesopfern anbietet. “Ich bin entkommen”, kann man so all seinen Freunden mitteilen.

In den Tagen danach haben viele von Euch, die auch entkommen sind, verschiedene Botschaften gesendet. Eine häufige war dabei, die Terrorgefahr doch einmal “realistischer” zu sehen: Es sterben kaum Menschen an Terror, viel weniger als zB bei Verkehrsunfällen. Daher sei es irrational, sich von Terrornachrichten beeindrucken zu lassen. Am besten sollte man die Terroristen ignorieren, dann erreichen sie nämlich ihr Ziel nicht.

Wer mich kennt, weiß, dass ich ein großer Fan von Rationalität und Nüchternheit bin. Insofern finde ich solche Denkansätze erstmal super. Allerdings sollte man dann auch aufpassen, ob die (angebliche) Rationalität und Nüchternheit nicht einfach den Diskurs beschränkt, und man vielleicht nur unangenehmen Fragen und Schlussfolgerungen ausweichen will.

Um dem zu entgehen, empfehle ich folgenden Lackmustest: Stellt Euch das gleiche Ereignis noch einmal vor, diesmal aber mit ganz anderen Akteuren. Und schaut, wie gut Eure Interpretationen und Argumente dann noch passen.

Stellen wir uns zum Beispiel vor, am vergangenen Montag wäre ein polizeibekannter, bereits unter Beobachtung stehender Neonazi mit einem LKW in eine Flüchtlings-Zeltunterkunft gefahren und hätte dort 11 Refugees überrollt.

Daraufhin hätte ein deutscher Politiker  folgendes getwittert:

Stellen wir uns weiter vor, an Refugees würden dann folgende Flyer ausgeteilt (übersetzt in ihre Sprachen natürlich):

An Neonazi-Terroranschlägen auf Flüchtlinge sind bislang kaum Flüchtlinge gestorben, zumindest sicherlich weit weniger als an zB Verkehrsunfällen. Die Gefahr für einen Flüchtling oder sonstigen Migranten, durch Neonazi-Terroristen zu sterben, ist und wäre weiterhin viel geringer, als zB an einem Verkehrsunfall zu sterben.

Wäre es da nicht richtig und hilfreich, Migranten genau dadrauf hinzuweisen? Ihnen klarzumachen, dass sie keine Angst haben müssen? Dass sie weiter in Ruhe einkaufen gehen und Sex haben können? Weil ja die Statistik so eine klare Sprache spricht?

Irgendwie ahne ich aber, dass das nicht passieren würde. Ganz im Gegenteil: Ich glaube, dass diese beiden Tweets einen Sturm der Entrüstung auslösen würden.

Ich glaube zudem, dass man sehr schnell Fragen stellen würde wie:

  • Ist die Polizei und ihr (vermeintlich) laxer Umgang mit Neonazis mitschuld?
  • Hat die deutsche Mehrheitsgesellschaft ein Klima des Rassismus kultiviert,
    dessen Spitze wir hier nun sehen?
  • Sind es die Toten der AfD?

Alles Fragen der Art, die jetzt – beim islamistischen Terroranschlag – entschieden abgelehnt werden.

Warum also der Unterschied? Für mich deutet das darauf hin, dass es vielen Nüchternheits-Mahnern oft nicht so sehr um Rationalität geht, sondern um die Pflege der eigenen politischen Agenda:

  • Können aus der entstandenen Angst politische Maßnahmen entstehen, die mir missfallen, versuche ich die Angst zu bekämpfen, Generalisierungen nicht zuzulassen, die Verantwortung dem “verwirrten Einzeltäter” zuzuschreiben.
  • Kann die Angst dagegen helfen, dass politischen Entscheidungen in meinem Sinne getroffen werden, rede ich der Angst das Wort, sehe ein gesamtgesellschaftliches Problem und generalisiere.

Oder um es mit Karl Marx zu sagen: Passt ein Terroranschlag in mein gesellschaftliches Feindbild, wird die Verantwortung dadran sozialisiert – passt er nicht, wird sie privatisiert.

Wie anders der Umgang mit Terror tatsächlich sein kann, konnte man gut bei der Aufdeckung der NSU-Mordserie sehen. Ich erinnere mich da an keinen einzigen Artikeln, der Migranten vorgerechnet hat, wie unwahrscheinlich es doch sei, dass sie durch einen rassistisch motivierten Mord sterben werden. Dagegen gab es viele Artikel, die eine Schuld bei den Polizeibehörden und beim Staat gesehen haben, und selbst hochrangige Politiker sahen das so. Sogar eine Demonstration wurde mit einem Aufruf angemeldet, der ganz klar argumentierte:

Ermöglicht wurde diese Terrorserie durch einen Rassismus, der das Handeln der meisten Menschen in diesem Land, staatlicher Behörden und der Polizei bestimmt. Rund um die Taten des NSU zeigt sich eine arbeitsteilige Verknüpfung von schweigender bis zustimmender Bevölkerung und den mörderischen Aktionen der Neonazis.

Es ist also die Rede von einer breiten Mitverantwortung – etwas, was beim islamistischen Terroranschlag als Instrumentalisierung gebrandmarkt wird.

~

Diese selektive Argumentation mag natürlich psychologisch nachvollziehbar sein, führt aber nicht zur Wahrheitsfindung, nämlich der Frage: Gibt es nun tatsächlich gute Gründe, mehr Angst zu haben? Ist es nun richtig, bestimmte Politik zu ändern?

Und beide Fragen haben wahrscheinlich keine endgültige objektive Wahrheit, ihre Antwort hängt sehr davon ab, welche Maßstäbe man ansetzt, welche Werte und Ziele man wie abwägt.

Aber ich will einen Aspekt herausgreifen, der in den “Statistik- und Wahrscheinlichkeitsdebatten” zu kurz kommt: Sterben allein ist nicht das, wovor wir Angst haben. Das Wie und das Warum scheint auch sehr relevant zu sein.

Dazu folgende Testfrage: Stellt Euch vor, ein von Euch geliebter Mensch

  • stirbt an einem Verkehrsunfall
  • stirbt bei einem Terroranschlag

Wäre Eure emotionale Reaktion in beiden Fällen die gleiche? Immerhin das “Ergebnis” wäre ja das gleiche: Der Mensch wäre nicht mehr da. Seine und Eure Möglichkeiten, mit ihm Glück zu erleben, Erfahrungen zu teilen, einfach Zeit auf dieser Welt zu verbringen – sie wären in beiden Fällen gleichermaßen nicht mehr gegeben.

Dennoch aber vermute ich, dass Euch der Tod durch einen Terroranschlag schlimmer treffen würde. (Zumindest mir ginge es so.)

Es sieht also so aus, dass allein das Zählen von Toten nicht ausreicht, um das Leid zu messen, das wir individuell oder als Gesellschaft empfinden.

Wer mir hier nicht folgen kann, dem möchte ich noch ein weiteres Beispiel
geben (evtl. etwas zu skurril, aber fiel gerade kein besseres ein):

Stellt Euch vor, wir arbeiten zusammen an einer Werkbank. Plötzlich fällt der
Hammer aus meiner Hand auf Deinen Fuß.

  • Variante 1: Ich zeige mich tief erschrocken und entschuldige mich mehrfach.
  • Variante 2: Ich grinse Dich an und sage unmissverständlich: “Das war
    Absicht!”

Auch hier wäre in beiden Fällen der physische Schmerz der gleiche: Der Hammer hätte in beiden Varianten das gleiche Gewicht. Dennoch vermute ich aber, Dein empfundener Schmerz, und insbesondere Deine Verunsicherung im künftigen Umgang mit mir wäre bei Variante 2 ungleich höher.

Es tut offenbar mehr “weh”, wenn ein Tod oder ein Schmerz mit Absicht verursacht wurde. Anders gesagt: Die soziale Botschaft parallel zum Vorfall kann das Leid wesentlich vergrößern.

Un genau genommen ergibt sich aus dieser sozialen Botschaft ja auch eine größere Wahrscheinlichkeit für künftige Fälle:

  • Nach einem aus Versehen herunter gefallenem Hammer oder einem Verkehrsunfall kann man immer noch von gewissen Konstanten ausgehen: Die Motorik des Mitarbeiters wird sich nicht plötzlich verändert haben, die Sicherheitsausstattung der Autos ist immer noch die gleiche, das Fahrverhalten der anderen Autofahrer wird durch den Unfall nicht unvorsichtiger (eher vorsichtiger).
  • Anders aber beim absichtsvollen Hammerfall oder einen Terroranschlag: Hier gibt es ja kaum Konstanten, die Umstände sind sehr variant: Wenn ich ganz klar die Absicht hatte, dir Schmerzen zuzufügen, dann werde ich das morgen vielleicht noch schlimmer versuchen (wenn mir vielleicht wirkungsvollere Mittel zur Verfügung stehen). Ebenso beim Terroranschlag: Ob einer passiert oder nicht, hängt ja viel weniger von Konstanten wie der Arbeit der Sicherheitsbehörden ab, sondern vielmehr der Entschlossenheit Einzelner ab.

Und die ist hochvariabel. Es wäre zB durchaus möglich, dass ab jetzt jede Woche jemand einen LKW kapert und ihn in eine Menschenmenge fährt, somit sich also die Zahl der Terroropfer binnen kürzester Zeit vervielfachen könnte. Ich sehe aber nicht, wie es möglich wäre, dass sich im gleichen Zeitraum die Zahl der Verkehrstoten vervielfachen könnte.

Es scheint also tatsächlich rational zu sein, bei der Frage nach der künftigen Gefahrenabschätzung die bisherigen Toten von Terroranschlägen viel stärker zu gewichten als die von Verkehrsunfällen.

*ismus-Vorwürfe und ihre Inkonsistenz

Als letzte Woche nach mehr als 20 Jahren wieder Der heiße Stuhl lief, ist mal wieder etwas ganz typisches für deutsche Debatten um Migranten passiert: Es kam ein Rassismus-Vorwurf.

Zunächst mal, was gesagt wurde. Spiegel Online hat den Moment festgehalten:

300.000 Muslime lebten in Berlin, so Sarrazin weiter, und 300.000 Polen – die allerdings keine solchen Probleme machten. “Das ist Rassismus in Reinform”, braust Hübsch auf, “nur zu ihrer Information.”

Und da ist mir etwas aufgefallen. Ich habe das mal in einer Grafik festgehalten:

Die *-ismus-Vorwurfs-Asymmetrie

ismen

Es fällt auf, dass die Feststellung von Ungleichheiten nur in bestimmten Fällen zu einem *-ismus-Vorwurf führt.

Ich hatte dann auf Facebook gefragt, woran das liegen könnte:

Ursache: Opfer-Status?

Mein erster Gedanke war, dass es mit bestehender oder nicht-bestehender Opfer-Rolle der “schlechter wegkommenden” Gruppe zusammenhinge:

  • Wenn Männer bei der Aussage schlecht wegkommen, sei es kein Sexismus, weil es Sexismus nur gegen schwächere Gruppen geben könne – und Männer eben nicht als schwach gelten.
  • Wenn Muslime bei der Aussage schlecht wegkommen, sei es aber eben Rassismus, weil Muslime als schwache Gruppe gelten.

Dann aber fragt sich, was mit den anderen Aussagen ist. Arme gelten ja durchaus schwächer als Reiche und Ungebildete durchaus schwächer als Gebildete. Dennoch habe ich bei o.g. Aussagen noch keinen Klassismus oder Ableismus-Vorwurf gehört.

Ursache: Impliziter “Biologismus“?

In den Facebook-Kommentaren gab es dann die These, dass der *-ismus-Vorwurf dann kommt, wenn der Hörer glaubt, dass Biologie mitgemeint sei: Bei “Muslime sind krimineller als Nicht-Muslime” könne man evtl. davon ausgehen, dass der Sprecher gleichzeitig mitmeinen würde, die Gene der Muslime seien daran schuld. Daher der Rassismus-Vorwurf.

Auch das fand ich aber wenig überzeugend: Ich glaube, auch wenn der Sprecher explizit dazu sagen würde, es wäre allein die kulturelle Prägung der Muslime schuld dadran, er würde trotzdem den Vorwurf kriegen.

Auch glaube ich, dass jemand, der bei der Männer/Frauen-Aussage biologische Gründe ins Spiel bringt, weiterhin nicht mit einem Sexismus-Vorwurf rechnen müsste.

Meine These: Behauptungen über die Welt können nicht *-istisch sein

Inzwischen ich glaube, dass Aussagen über den (vermeintlichen) Zustand der Welt prinzipiell nicht *-istisch sein können. Solche Behauptungen können nur richtig oder falsch (oder irgendwas dazwischen) sein.

Rassistisch oder sexistisch können m.E. nur Handlungen sein, zB eben die Schlechterbehandlung einer bestimmten Gruppe.

Wenn also zB jemand fordert, dass Männer, Frauen, Muslime oder Nicht-Muslime anders behandelt werden sollen, dann kann erst da schauen, ob Rassismus oder Sexismus vorliegt.

Aber wenn jemand nur behauptet, dass Männer oder Muslime irgendetwas mehr oder weniger seien, kann diese Aussage eben einfach nur einen Wahrheitsgrad von 0 bis 1 haben.

Sicher, so eine Behauptung kann natürlich auch grotesk falsch sein, sie kann auch böswillig motiviert sein – aber dann ist die passende Reaktion eben: Die tatsächlichen Fakten entgegenstellen. Eine Etikettierung dagegen bringt keinen Erkenntnisgewinn.

Ich glaube, das ist die wesentliche, fehlende Unterscheidung, die bislang soviel Verwirrung und Eskalation in die Debatten bringt.

Kriminalität und Nationalität: Überraschend schwache Argumente

Der Kriminologe Christian Pfeiffer gibt ein Interview zur Frage “Nationalität spielt bei Kriminalität eine Rolle spielt  – und wird breit und begeistert im Netz geteilt. Komisch, denn seine Argumente sind ziemlich dünn.

Ich gehe mal Schritt für Schritt durch:

Die Kriminalität in Deutschland geht im Gewaltbereich um 15 Prozent nach unten, gleichzeitig haben wir ein starkes Anwachsen des Anteils der “Fremden”. Die Schnellschuss-Antwort, die Ausländer sind die Bösen und verantwortlich für die Kriminalität, ist einfach falsch.

Dass Ausländer allein für sämtliche Kriminalität verantwortlich seien, behauptet ja auch niemand. Die Frage, die Pfeiffer vorher ja selbst stellt, ist, ob sie krimineller als Deutsche sind.

Und da ist der Befund, dass Kriminalität insgesamt zurückgeht bei steigender “Fremden”-Zahl, kein Gegenargument. Es könnte sich ja einfach um zwei überlagernde Trends handeln: Denkbar wäre folgendes:

  • Die Kriminalität geht einerseits stark zurück (zB wegen besserer allg. Prävention), sagen wir: um 20%.
  • Gleichzeitig steigt sie wiederum um 5%, weil es mehr “Fremde” gibt.
  • Am Ende kommen immer noch minus 15% raus.

Um meinen Punkt zu verdeutlichen, stellen wir uns folgenden Satz vor:

Brandstiftungen sind in den letzten 15 Jahren allgemein zurückgegangen, insofern ist die große Besorgnis um rechtsradikale Brandanschläge unberechtigt.

Der Satz wäre ziemlich verstörend und am Thema vorbei. Er entspricht aber der Logik Pfeiffers.

Polizeiliche Statistiken sind untauglich, um die Kriminalität von Deutschen und Ausländern zu vergleichen, weil die “Fremden” ein erhöhtes Risiko haben, angezeigt zu werden. Das ist nicht nur in Deutschland so, sondern weltweit. Ich sage es mal am Beispiel von deutschen Jugendlichen, die wir dazu erforscht haben: Wenn Max von Moritz verprügelt wird, ist die Anzeigebereitschaft 19 Prozent, wird Max von Mehmet verprügelt, ist sie über 31 Prozent.

Ah ja. Gilt das dann auch bei Männern und Frauen? Wenn man zB herausfinden würde, dass eine Frau, die einen Mann schlägt, seltener angezeigt wird, als ein Mann, der eine Frau schlägt – wären dann polizeiliche Statistiken untauglich, um die Kriminalität von Männern und Frauen zu vergleichen?

Ich finde ja die Erkenntnis erst einmal interessant: Eine verschieden hohe Anzeigebereitschaft ist tatsächlich ein verzerrender Faktor. Aber die Frage ist eben, wie sehr, und wie verbreitet der Effekt ist. Denn es gibt es ja auch verschiedene Delikte. Ich bezweifle zB., dass die Zahlen zu Mord und Totschlag durch verschieden hohe Anzeigebereitschaft verzerrt werden. Sein Rundumschlag, dass polizeiliche Statistiken untauglich seien, verwundert mich da einfach.

Sichere Forschungsergebnisse kann man nur dann gewinnen, wenn man beispielsweise 10.000 Frauen fragt: Sind Sie vergewaltigt worden? Wenn ja, wer war der Täter? Und haben Sie Anzeige erstattet? Erst auf der Basis solcher Untersuchungen kann man dem gerecht werden, was da im Augenblick öffentlich debattiert wird.

Dieser Ansatz erschließt sich mir nicht. Die offene Frage war ja der Faktor Nationalität. Dazu muss man den ja messen. Wenn ich Pfeiffer richtig verstehe, sollen die Opfer dann auch nach Augenschein und aus Erinnerung einschätzen, ob der Täter einen deutschen oder ausländischen Pass hatte. Und das soll verwertbare Ergebnisse bringen?

Am Ende wird es besonders spannend, wie Pfeiffer selbst sagt:

Auch die Prägungen in einer bestimmten Kultur sind gelernte Vorgänge. Wir haben in Deutschland sehr viele Menschen aus Ländern bekommen, in denen es männliche Dominanz gibt wie etwa in der Türkei. Wir haben 1998 damit begonnen, solches Macho-Verhalten systematisch zu erfassen und in Verbindung mit Kriminalitätsverhalten zu bringen. Am Beispiel Hannover zeigte sich, dass etwa 30 Prozent der männlichen jungen Türken gestandene Machos waren. Das Spannende ist, dass wir 2013 dieselbe Untersuchung wiederholt haben und einen steilen Rückgang auf zehn Prozent festgestellt haben. Parallel dazu hat eine Integration ins Bildungswesen und in Sportvereine stattgefunden.

Also ich fasse zusammen:

  • Männer aus einer südländischen Kultur waren vermehrt Machos.
  • Das hatte Einfluss auf ihr Kriminalitätsverhalten.
  • 15 Jahre später sind es viel weniger Machos.

Was will Pfeiffer uns damit sagen? Dass Integrationsmaßnahmen die Kriminalität senken können? Das glaube ich gern, wirklich.

Aber gleichzeitig hieße das doch, dass in der Ausgangssituation die Kriminalität eben deutlich höher war. Sein Beispiel suggeriert ja gerade, dass bei einem frisch Eingereisten aus einem Land mit Machokultur von einer höheren Kriminalität ausgegangen werden sollte. Und dass es einige Jahre dauern könne, bis diese spürbar zurückgehe, selbst mit Integrationsmaßnahmen. Oder verstehe ich das falsch?

~

Was mich so verwundert ist übrigens nicht, dass da jemand ein Interview mit schwachen Argumenten gibt. Das passiert ja nicht selten.

Was mich so verwundert ist, dass viele diese schwachen Argumente so freudig teilen, die sonst eigentlich Kluges schreiben, und die noch vor einigen Jahren bei “Killerspielen” (übrigens auch mit Herrn Pfeiffer) die Haare gerauft haben.

“Jeder vierte Deutsche findet, dass andere Deutsche Sex ohne explizite Einwilligung in Ordnung finden (könnten).”

Die EU hat eine Studie zum Thema Vergewaltigung machen lassen, und die Ergebnisse
haben zu vielen aufgeregten Überschriften geführt:

Dabei ist die zentrale Frage in der Studie recht mehrdeutig
formuliert gewesen. Sie lautete nämlich:

Es gibt Personen, die finden, dass Geschlechtsverkehr ohne Einwilligung unter bestimmten Umständen gerechtfertigt ist. Glauben Sie, dass dies auf folgenden Situationen zutrifft?

Wenn hier nun zu einer der genannten Situationen zugestimmt wurde, so wurde
dies von den Wissenschaftlern als Rechtfertigung von Vergewaltigung gezählt.

Bei dieser Schlussfolgerung sehe ich zwei Probleme:

1. Implizit ein “explizit” reinlesen

Es ist durchaus möglich, dass manche Befragten hier die Frage beantworteten,
ob Geschlechtsverkehr ohne explizite Einwilligung unter bestimmten Umständen
gerechtfertigt sei. Beispielsweise war eine der Antworten

freiwillig zu jemandem nach Hause mitgehen, zB nach einer Party oder Verabredung

Mir scheint das in der Praxis sogar ein recht häufiger Fall zu sein, dass man zu
jemandem nach Hause nachts mitgeht und dann Sex hat, ohne explizit noch
einmal darüber zu sprechen. Das Abends-Nach-Hause-Mitkommen scheint für die meisten Menschen so eine starke Kommunikation für Ich-will-Sex zu sein, dass das Mem sogar für
Mainstream-Comedy-Serien und Werbespots taugt.

Eine viel passendere und genauso klare Formulierung wäre “gegen den Willen” gewesen (wie es übrigens auch im zuletzt reformierten und weit begrüßten neuen Strafrechtsparagraphen steht). Damit hätte man auch den Default-Effekt ausgeschlossen, und damit die Lesart, dass auch Sex ohne explizite Einwilligung, aber dennoch nicht gegen den Willen eines Beteiligten gemeint ist.

2. Unklarer Bezug der Frage

Die ganze Frage besteht aus einem Aussage- und einem Fragesatz. Hier nochmal,
diesmal mit Hervorhebung von mir:

Es gibt Personen, [die finden (A)], dass [Geschlechtsverkehr ohne Einwilligung
unter bestimmten Umständen gerechtfertigt ist (B)]. Glauben Sie, dass dies auf folgenden Situationen zutrifft?

Gefragt wird also, ob etwas zutrifft. Aber was? Wer hier bei einer Situation
zustimmt, kann zweierlei gemeint haben:

  • (B): Geschlechtsverkehr ist ohne Einwilligung in dieser Situation gerechtfertigt
  • (A): Es trifft zu, dass es (andere) Personen gibt, die so etwas gerechtfertigt
    finden (ich aber nicht).

Während (B) sich tatsächlich als Zustimmung zu Vergewaltigung interpretieren ließe, ist (A) nur eine Aussage darüber, wie man die Situation auf der Welt einschätzt.

Diese Mehrdeutigkeit hat auch schon Erzählmirnix in einem Comic gut zusammengefasst.

Vermutlich wurde die Formulierung so gewählt, um dem Effekt der Sozialen Erwünschtheit vorzubeugen: Man nahm das, dass manche Befragte zwar Vergewaltigung (insgeheim) billigen, aber es in der Befragung nicht so klar sagen wollen würden (weil sie wissen, dass diese Antwort sozialen Normen widerspräche). Um das abzumildern, wurde ein einleitender Satz vorangestellt, der suggerierte, dass der Befragte mit seiner Meinung nicht allein wäre – somit also eher mit seiner tatsächlichen Überzeugung antworten werde.

Schade nur, dass dadurch eben diese Mehrdeutigkeit entstanden ist.

~

Ich weiß natürlich nicht, wie sehr diese Mehrdeutigkeiten tatsächlich die eigentlich intendierten Frage-Bedeutungen verzerrt haben. Der Effekt kann sehr klein oder sehr groß sein – aber genau dass ist die Tragik an der Studie: Man wird es nicht mehr herausfinden. Deswegen habe ich für diesen Artikel auch die Überschrift gewählt, die die Studie in dieser Frage hergibt.

Trotzdem: die anderen Erkenntnisse sind durchaus lesenswert, daher hier nochmal der Link zur Studie.

How to stop Brexit (well, not literally, but effectively)

In June, the people of the United Kingdom voted for leaving the EU. And a lot of Brits still seem unhappy about its result.

So I’ve got this idea. (Not sure if I’m the first one, if not, please ping me
to the original.)

  1.  The UK government should draft a deal for a hard Brexit, meaning
    • no freedom of movement, thus no free migration from and to the EU
    • no customs-free access to the EU market
  2. They should draft another deal with the EU to leave the union but
    get a status similar to Norway or Switzerland, meaning:

    • freedom of movement, including free migration of people from and to other
      EU countries
    • customs-free access to the EU market
  3. There should be another referendum where the British people can choose between these two deals.

That second referendum should not be in violation of the first one, it would clearly acknowledge the Leave decision.

But the referendum’s question was only about Remain or Leave, not about the conditions or circumstances of Remain or Leave. In particular, it said nothing about the migration and free market issues, and it is well possible that some Leave voters intended a solution like for Norway or Switzerland.

Thus the second referendum would give the British people opportunity to specify what they want, so everyone generally embracing direct democracy should be in favour of it.

If the second deal wins, the UK would still leave the EU but the consequences would be similar to a Remain – so effectively (meaning: how it affects the British economy and people) Brexit would be stopped.

Of course, also the first deal could win. But this would then be at least a much more informed decision – which could be better accepted by all British.

The ideal solution for Hungary’s prime minister Orbán (and the refugees)

  • He builds a refugee camp exactly at the unprotected Austrian-Hungarian border.
  • He brings all the refugees, who come to Hungary, to this camp and registers them (thus fulfilling EU law / Dublin regulation).
  • The camp has no fence, so refugees who want so (currently nearly all of them), simply walk out to Austria.
  • Refugee-enthusiastic Austrians and Germans take them in / let them travel to Germany.

Outcome:

  • No refugees in Hungary while breaking no rules (Win for Orbán!)
  • Refugees make it to Austria/Germany (Win for the refugees!)
  • Germany gets more refugees (Win for Germans!)

DIE Lösung zum Betreuungsgeld‬!

DIE Lösung zum Betreuungsgeld‬:

Alle Eltern sollen bei sich zu Hause formal eine Kita eröffnen können!

Vorteile:

  • So entstehen wirklich flächendeckend genügend Kita-Plätze – mehr Flächendeckung ginge ja gar nicht!
  • Das dann ausgezahlte Erziehergehalt an die Eltern wäre viel höher als das alte Betreungsgeld – Gewinn für die Mütter / Väter / konservative CSUler!
  • Die bislang als Hausfrauen geltenden Mütter wären dann Angestellte, würden also faktisch arbeiten gehen – Gewinn für grüne Gender-Leute, die Rollenbilder aufbrechen wollen!

Was meint Ihr?

Hat Tsipras mehr erreicht als Konservative hätten erreichen können?

Man kann unendlich viel schrieben über das, was vergangenes Wochenende und überhaupt die Monaten davor zwischen Griechenland und der Eurogruppe passiert ist. Ich versuche mich hier mal mit der Sicht eines griechischen Syriza-Wählers.

Für den müsste die entscheidende Frage sein:

Hat Tsipras mehr erreicht als griechische Konservative hätten erreichen können?

Und da sehe ich ehrlich gesagt nix. Er hat zwar ein neues Hilfsprogramm bekommen mit großen Umfang, für die nächsten 3 Jahre. Er hat den Grexit abgewendet. Das mag Planungssicherheit bringen. Aber das ganze unter massivsten Auflagen, da ist keine linke Handschrift zu erkennen. Da ist nichts, was nicht auch Konservative bekommen hätten.

Auch wenn man sich sonst Tsipras’ bisherige Amtszeit anschaut, ist es eine Geschichte der Fehlschläge:

  • Er dachte zu Anfang im Winter, die anderen Südländer diplomatisch mit ins Boot gegen den Norden holen zu können und hat sich massiv verschätzt: Kein Südland wollte (offen) mitmachen.
  • Er dachte während der Verhandlungen, die Eurogruppe würde früher einlenken, aus Angst vor einer Zuspitzung der Lage in Griechenland zu verhindern, und hat sich verschätzt: Die Notkredite wurde gedeckelt, die Banken mussten schließen.
  • Selbst beim Ausruf des Referendums dachte er noch, die Eurogruppe würde mit ihm die kommende Woche noch weiter verhandeln. (Siehe dazu Varoufakis’ Pressekonferenz: Die Idee war, dass die Eurogruppe ihr Angebot solange verbessert, bis Tsipras seine Nein-Empfehlung in ein Ja noch ändert.) Er hat sich verschätzt.
  • Er hat dann das Referendum zwar gewonnen, aber faktisch nichts erreicht. Es kam kein besseres Angebot. Und damit…
  • … hat er die Demokratie in seinem Land beschädigt. Was soll ich als Grieche mir jetzt noch von einem Referendum in meinem Land erhoffen?
  • Er wird nun Syriza als linke Partei faktisch zerstören. Denn er muss nämlich die rausschmeißen, die das mit der linken Politik ernst gemeint haben. Damit wird es vorerst keinerlei nenneswerte linke Opposition in Griechendland geben.
  • Er wird dazu die Troika wieder rein kriegen.
  • Er wird griechischen Staatsbesitz privatisieren und damit eine linke Politik sogar für zukünftige Regierungen schwer machen bis ausschließen.

Was vielleicht das schlimmste ist: Er hatte offenbar tatsächlich keinerlei Plan B, für den Fall der gescheiterten Verhandlungen. Damit hatte er faktisch einen Graccident, also einen unkontrollierten Grexit in Kauf genommen. Welche fatalen Verwerfung gerade der für die ärmsten Griechen gehabt hätte, kann man sich ausmalen. Eigentlich unfassbar, diese Verantwortungslosigkeit.

Für Tsipras galt offenbar: “Lieber Austerität, als Grexit.” Was an dieser Einschätzung noch links sein soll, ist mir ein Rätsel.

Ohne Frage, ein Grexit hätte schwierige soziale Folgen. Genau das hätte er aber mit der Eurogruppe ausverhandeln und mit weichesten Daunenkissen abfedern können. Wer hätte schon Nein sagen können zu subventionierten Medikamenten und Treibstoffen? Auch ein immer gewünscher Schuldenschnitt wäre drin gewesen.

Vor allem aber hätte er wieder nicht nur formale, sondern auch faktische Souveränität für sein Land. Für die linkeste Politik, die man mit fast absoluter Mehrheit hätte machen können.

Was hatte dann alles  drin sein können: Radikale Reichenbesteuerung, völlige Bankenumstrukturierung, etc. Und wenn ihm sein Mini-Koalitionspartner in Quere gekommen wäre, dann eben Neuwahlen und mit absoluter Mehrheit weiter.

Was dagegen hat er jetzt? Einen Posten als Ministerpräsident, ohne eigene Mehrheit, der alle Wahlversprechen gebrochen hat.Better austerity than Grexit.

Warum man den Namen des Germanwings-Piloten nennen darf

Das, was nach bisherigen Erkenntnissen beim Germanwings-Flug 9525 passiert ist, war ein Amoklauf: Der Co-Pilot hatte die klare Absicht, sich selbst und viele andere Menschen zu töten. Der journalistischen Umgang mit Informationen über ihn sollte daher der gleiche sein wie bei einem Amokläufer.

Gewöhnlich wird der Name eines Amokläufers veröffentlicht, er obliegt keinem besonderen Persönlichkeitsschutz. Das gleiche sollte auch hier gelten.

Viele kritisieren nun die Veröffentlichung des Namens. Sie führen im Wesentlichen zwei Argumente an:

  1. Mit Veröffentlichung des Namens wird die Familie des Co-Piloten “hereingezogen”, die aber nichts dafür kann.
  2. Die Information über den Namen hat keinen Mehrwert.

Zu 1) Wer Angehörige des Co-Piloten mitverantwortlich macht oder irgendwie belästigt, handelt tatsächlich falsch. Wer das tut, sollte kritisiert und zur Zurückhaltung aufgerufen werden.

Das würde aber auch gelten bei Angehörigen eines Amokläufers, Mörders oder eines Politikers, durch dessen Entscheidung viele Menschen umkamen. Daraus würde man jedoch nicht schließen, dass man deshalb nicht die Namen dieser Menschen veröffentlichen sollte.

Zu 2) Die Information über den Namen hat den gleichen Mehrwert wie die über einen Amokläufer, Mörder oder Politiker, durch dessen Entscheidung viele Menschen umkommen.

Der Pilot ist ja hier die wesentliche Ursache des Absturzes. Anders als bei einem Unfall mit menschlichem Versagen gab es hier einen klaren Vorsatz. Die Erklärung für dieses Vorsatz liegt allein in der Person des Co-Piloten. Um den Absturz also zu verstehen, muss man sich in diesem Fall die persönlichen Hintergründen des Piloten beschäftigen.

Man kann auch eine Abstufung am Interesse an der Person erkennen: Ist es bei einem tragischen Unfall, bei dem alle Beteiligten sich noch “korrekt”, also entsprechend aller Vorschriften, verhalten haben, eher gering, so ist es bei einem durch grobe Fahrlässigkeit verursachten Unfall schon größer. Besonders groß ist es wie hier, wenn volle Absicht vorliegt. Man sieht: Das Interesse steigt mir der persönlichen Verantwortung.

Das Interesse an seiner Person ist hier auch hoch, weil in ihn als Piloten ein besonderes Maß an Vertrauen gesetzt wurde. Er hatte eine Machtposition, die sonst nur Armeeangehörige haben: Nämlich ganz allein das Leben einer dreistelligen Anzahl Menschen zu verantworten. Das macht das Interesse an seiner Person noch stärker als bei einem “gewöhnlichen” Amokläufer.

Schließlich könnte man nun argumentieren: “OK, das soll zwar untersucht werden, aber doch bitte nicht öffentlich. Der Wissen um den Namen macht doch die Opfer nicht mehr lebendig.” Das stimmt natürlich, nur gilt das dann auch für sämtliches Wissen um den Absturz: Man könnte dann auch sagen, sogar die Absturzursache solle geheim bleiben, das Wissen um sie mache ja auch niemanden lebendig (und in diesem Fall hat es die Situation für die Angehörigen vermutlich sogar verschlimmert).

Wer dennoch meint, dass der Name des Co-Piloten nicht genannt werden sollte, den möchte ich fragen:

  • Sollte man die Namen von Amokläufern nennen?
  • Sollte man die Namen von Terroristen nennen, zB von diesen?
  • Würde Dich selbst der Name von jemandem interessieren, der einen Dir nahestehenden Menschen ermordet hat?